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Johannes der Täufer - Predigt am 1. Sonntag nach Epiphanias, am 7.1.07, Pastorin Susanne Bostelmann

Predigt 1. Sonntag nach Epiphanias 7.1.07

Gnade sei mit euch und Friede von dem, der da ist und der da war und der da kommt.

Liebe Gemeinde,
es gibt eine Menge Bilder von Johannes dem Täufer. Eines ist mir besonders im Gedächtnis geblieben: Da steht Johannes unter dem Kreuz und weist auf dem gemarterten Christus, mit einem sehr langen, etwas krummen und vielleicht sogar etwas zittrigen Zeigefinger: Dieser ist´s! Der Sohn Gottes.
In diesem Zeigefinger ist etwas zu spüren von dem, was Johannes bewegt haben mag im Moment der Erkenntnis, in der Begegnung am Jordan: Dieser ist es, von dem ich gepredigt habe, den wir erhofft haben! Und vielleicht schwingt auch ein wenig Erstaunen mit: Ach, der?! Ich habe ihn vorher nicht erkannt...

Dabei sind die Lebensgeschichten von Johannes und Jesus von Anfang an, schon vorgeburtlich, verwoben; Johannes ist Jesus immer etwas voraus:
Über Johannes Geburt wird seinem Vater Zacharias gesagt: Du wirst einen Sohn haben, der wird dem Höchsten den Weg bereiten. Zacharias kann das nicht glauben, aber das Wunder geschieht: Die viel zu alte Elisabeth wird schwanger.
Etwas später wird auch ihre, eigentlich viel zu junge, Verwandte Maria schwanger. Der Engel kündigt ihr an: Du wirst einen Sohn gebären, den werden sie Sohn des Höchsten nennen und er wird König sein in Ewigkeit! Als sich die beiden Schwangeren begegnen, hüpft Elisabeth das Kind im Leib: im Mutterleib hat Johannes Jesus als den Sohn Gottes schon erkannt.
Große Hoffnungen sind verbunden mit diesen beiden Kindern, Hoffnung, dass Gott neu auf die Erde kommt, den Himmel erdet. Im Zusammenhang mit den wunderbaren Geburten singen Maria und Zacharias mit machtvollen Worten von der Umkehrung der Verhältnisse: die Gewaltigen stürzt Gott vom Thron, die Hungrigen werden satt und Gott führt uns auf den Weg des Friedens.

Mit dieser Hoffnung werden Johannes und Jesus groß, und beide versuchen sie zu leben. Johannes wählt einen sehr drastischen, konsequenten Weg. Er folgt den alten Propheten und geht in die Wüste. Er stellt sich den Erfahrungen von Einsamkeit und Weite - und erfährt, was dem Volk Israel in der Wüste versprochen wurde: Gott ist nahe. Ich bin der ich bin mit dir. Johannes ernährt sich von Heuschrecken und Honig, dem, was er in der Wüste findet, ist bekleidet nur mit einem Kamelhaargewand, von einem Gürtel gehalten. Eine anstößige, herausfordernde Erscheinung - und faszinierend.
Als er an den Jordan zieht, kommen viele, um ihn zu hören. Denn er predigt mit kraftvollen Worten, erschreckend und drastisch wie seine Erscheinung: „Bekennt eure Sünden und tut Buße, denn das Himmelreich ist nahe herbeigekommen. Der, auf den wir warten, der von Anfang an bei Gott war und die Verhältnisse auf den Kopf stellen wird, wird bald kommen. Und er wird die Spreu vom Weizen trennen, aufräumen wird er mit starker Hand!“
Und dann fährt er sie an, die sich taufen lassen wollen zur Buße, mit erhobenem Zeigefinger: „Ihr Schlangenbrut! Wer macht euch gewiss, dass ihr dem künftigen Zorn entrinnt?“
Keine erfreulichen, doch für viele endlich klare Worte.
Hier ist einer, der Fehlverhalten nicht verharmlost oder so tut, als wäre nichts passiert. Er sieht die Menschen, wie sie sind: Sie leben nicht nach der Gottes Willen, weil etwas zwischen ihnen und Gott ist. Das kann die Angst sein, so, wie ich bin, nicht genügend Wert zu sein oder Trägheit oder Eitelkeit oder Egoismus, die stärker sind als ich. Meistens entsteht ein Teufelskreis von Schuld daraus. Das ist Sünde, sagt Johannes. Sie zu erkennen ist der erste Schritt.

Buße tut Not, das spüren viele. Nicht für nur für mich persönlich, auch im öffentlichen Raum ist es nötig, Schuld auch als solche zu benennen, damit sichtbar wird: hier besteht ein Widerspruch zur Liebe Gottes: Bereicherung unter Ausnutzen der beruflichen Position ist Unrecht und kein Kavaliersdelikt. Angriff eines fremden Landes ist Krieg und darf nicht als „Verteidigungsfall“ verharmlost werden.

Ist die Schuld erkannt und benannt, fordert das Konsequenzen. Buße heißt auf griech. Metanoia, Umkehr. Es ist eben nicht getan mit einer kurzen Entschuldigung in der Öffentlichkeit, oder einem schnellen Gesetzeserlass, der nur äußere Erscheinungen des Problems erfasst. Buße bedeutet Umkehr. Dazu muss man anhalten und eine Wende vollziehen. Dazu müssen wir unsere Lebensweise ändern.
Solange Angriff als die beste Verteidigung gilt, wird es immer Kriege geben. Und solange wir Menschen uns hier über Besitz und nicht über unsere Handlungen definieren, wird es immer auch ungerechte Bereicherungen geben.

Buße, Umkehr, muss Früchte zeigen. Das sagt Johannes, und das wissen wir im Grunde unseres Herzens. Darum haben sich auch so viele bei ihm taufen lassen. Aber leider ist es mit diesem Wissen nicht getan. Denn die Sünde hat eine große Macht. Ich kann nicht so einfach mein Sein umkehren. Die Angst, die Gier oder anderes hält mich hartnäckig fest, und den anderen geht es nicht anders. Ich schaffe es meistens nicht aus eigener Kraft, den Teufelskreis zu stoppen. Da kommt der Wunsch auf, dass doch endlich einer käme und aufräumte...

Und dann kommt er. Aber niemand erkennt ihn. Auch nicht Johannes, der doch die ganze Zeit sein Kommen predigte. Denn er ist anders, noch anders als alle gedacht haben. Jesus kommt zu Johannes, um sich taufen zu lassen, und Johannes sieht den Geist auf ihn herabfahren wie eine Taube. Das ist das Zeichen, da hat Johannes das Aha-Erlebnis (Mit dem Zeigefinger an die Stirn -> hinweisend zeigen): der ist Gottes Sohn! Auch für Johannes kommt er anders als gedacht. Darüber verliert er seine starken Worte. „Ich habe ihn nicht erkannt“, gibt Johannes zu, denn nicht als den König, als starker Held, der alles aufräumt, steht er vor mir, sondern als Lamm, ausgerechnet: Klein, wehrlos, machtlos. Naiv, zutraulich auch, und kreuz und quer springend.
Jesus, das Lamm Gottes: Er setzt sich nicht an die Schaltstellen der Macht und zettelt keine Revolution an. Er wandert durch das Land mit seinen Jünger/innen und redet von Gott wie von einem zärtlichen Vater. Er traut Zöllnern und Prostituierten mehr Sensibilität für das Reich Gottes zu als manchem Schriftgelehrten. Er macht neues Leben möglich und heilt Lähmungen, indem er Sünden vergibt. Er predigt nicht nur Umkehr wie Johannes, er stellt alles auf den Kopf. Lamm, nicht Held. Fresser und Säufer, wahrer Mensch: den gleichen Schwächen ausgesetzt wie alle Menschen, leidet er wie alle unter der Macht der Sünde.

Wir wissen, wie das endet: mit seinem vorzeitigen Tod. Wie ein einfältiges Lamm ist er gestorben: er hat es ertragen, dass die Menschen seine Botschaft nicht ertrugen. Er ist nicht geflohen oder hat die Spitzen der guten Nachricht abgeschwächt, um seinen Kopf zu retten. Jesus hat stillgehalten, sich ans Kreuz nageln lassen. Er ist konsequent geblieben. Die Sünden der Welt wurden auf ihn versammelt, und er hat sie mit in den Tod genommen. So wurden sie umhüllt von der Liebe Gottes. Der Teufelskreis ist gestoppt. Das ist die absolute Umkehr: Jesus Christus geht den Kreis nun andersherum, und damit wird ein Engelskreis daraus. Das Schwache ist stärker als das scheinbar Starke. Der Sünde wird ihre Macht genommen. Der Weg in die Freiheit ist eröffnet. Und so können auch wir nun umkehren und aus Teufels- Engelskreise machen.
Die Freiheit ist eröffnet. Trotzdem kenne ich auch das andere, dass wir immer wieder in die alten Kreise zurückfallen. Ist das, was jetzt beinahe 2000 Jahre her ist, denn wirklich die Rettung, die wir brauchen? Mit diesen Zweifeln, die immer wieder aufblitzen können, sind wir nicht allein. Selbst Johannes, der Jesus doch als erster erkannt hat und so eindeutig bezeugt, ist nicht gegen solche Zweifel gefeit. Im Kerker des Herodes, noch zu Jesu Lebzeiten, kommen ihm solche Fragen wie: Warum muss ich im Kerker sitzen, wenn es das jetzt sein soll, das anbrechende Reich Gottes?!
Das Heil, das mit Jesus in die Welt gekommen ist, ist nicht immer eindeutig greifbar. Häufig, gerade in dunklen Stunden, kommt es abhanden.
Daher schickt Johannes eine Anfrage. Man sieht förmlich den Zeigefinger (Geste!), mit dem er Jesus auf die Brust tippt: „Sag´s mir! Bist du es wirklich, der verheißende Heiland? Oder sollen wir auf einen anderen warten?“ Die Antwort, ist richtungsweisend: Lahme gehen, Blinde sehen, Tote stehen auf. Das Reich Gottes ist mit Jesus angebrochen, die Umkehrung vollzogen, der Himmel geerdet.

Johannes wird von Herodes ermordet. Auch in dem gewaltsamen Tod geht er Jesus voraus.
Für uns bleibt er im Gedächtnis als ein Wegbereiter und Zeuge für Jesus. Mit seinem Zeigefinger kann er uns Vorbild sein: Als Christ/innen können wir wie er Unrecht aufzeigen und Umkehr anmahnen, für uns selbst und andere. Und wir können wie Johannes zeigen auf das, was uns heilt: dass wir trotz aller unserer Schuld nicht zum Untergang verurteilt werden, sondern in der Liebe Gottes aufgehoben und immer wieder eingeladen sind, einen neuen Anfang zu wagen.
Das bekommen auch wir mit der Taufe geschenkt. Aber als Menschen zwischen Himmel und Erde brauchen wir dafür immer neue Stärkung und neue Versicherung: z.B. im Abendmahl: Da erneuern wir diese Wirklichkeit immer wieder. Denn da feiern wir das Lamm Gottes, das unsere Sünden trägt und erträgt: Damit wir die Richtung finden, in der aus Teufels- Engelskreise werden.
Amen.

Susanne Bostelmann

 
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