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Kein Weihnachten de luxe - Christnachts-Predigt 2006 mit Gedanken zu einem Weihnachtsbild, Pastorin Susanne Bostelmann
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Abbildung: AfÖ / He Qi "The Magi" |
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Geteilte Predigt in der Christnacht 2006 Vicelin
1. Prolog im Himmel
Im Himmel herrscht große Aufregung. Etwas Unerhörtes passiert. Überall wispert und flüstert es, schallt es durch alle Gänge: Der Chef wird Vater!
Ein junger Engel läuft aufgeregt zum Himmlischen Einkaufszentrum, das glücklicherweise gleich um die Ecke liegt. Shopping de Luxe, denkt er, da finde ich, was ich brauche! Er drängelt sich durch die Glitzerwelt und findet ein Geschäft mit Musikinstrumenten. Dort wartet schon ein gediegener Verkäufer:
Guten Tag, was kann ich für Sie tun?
Guten Tag! Also, ich bin im Namen des Herrn unterwegs…
Im Namen des Herrn, nun ja, staunt der Verkäufer und macht sich noch ein bisschen größer.
Also, es gibt einen Sonderauftrag, und ich brauche das schönste und beste Instrument, das Sie haben. Am besten eine Harfe. Behalten Sie es noch für sich: der Chef wird Vater!
Tatsächlich! Das hätte ich nicht gedacht. Wird es denn ein Junge oder ein Mädchen? Schauen Sie, wir haben hier die herrlichen Exemplare in rosa für die Mädchen oder blau für einen Jungen.
Es wird ein Junge. Aber blau, ich weiß nicht…
Wer ist denn die glückliche?
Sie heißt Maria
Maria? Kenne ich nicht.
Nein, sie ist ja auch ein Mensch! Eine ganz einfache junge Frau.
Ein Mensch?! Wo soll denn das noch hinführen! Wie kann sich Gott nur so erniedrigen!
Ja, er scheint richtig verliebt in die Menschen zu sein. Redet dauernd davon, dass er ihnen nahe sein will. Und immer wieder verzeiht er ihnen, obwohl doch immer mehr meinen, ohne ihn auszukommen.
Na, aber nun ist es wahrscheinlich aus mit seiner Geduld, meint der Verkäufer. Jetzt schickt er wahrscheinlich seinen Sohn zum Aufräumen. Ich sehe ihn schon vor mir: Mindestens 6 Meter groß, mit einer Strahlenkrone und einer Donnerstimme, dann werden die Menschen endlich merken, dass Gott der Herr über die ganze Welt ist.
Also, ich hatte eigentlich gehört, der Sohn solle als ganz normaler Mensch auf die Erde kommen.
Ach wie einfallslos. Aber trotzdem, er ist Gottes Sohn, und da wird er in einem feinen Palast aus Marmor zur Welt kommen, mit einer Heerschar von Dienern, die Mutter liegt in einem wunderschönen Himmelbett, und da habe ich etwas für Sie: Das Edel-Model Harp 2000, in Messing und mit Strasssteinen besetzt. Es funkelt so wie ein ganzer Sternenhimmel. Oder sie lassen sich nicht lumpen und nehmen dieses Designer-Modell Harp 2006. Das ist die absolute Luxusausführung in Gold, besetzt mit echten Edelsteinen. Und einen Klang hat sie, das können die Engel auch nicht besser.
Hm, hm, also, sie klingt sehr gut.
Ja, und die Könige und Herrscher, die Gottes Sohn besuchen, werden natürlich auch beeindruckt sein, wenn sie Sie mit diesem Modell sehen. Weltweit werden sie Ihre Musik bekannt machen…
Also, da gibt es einen Haken. Könige kommen glaube ich drei, falls sie wirklich Könige sind, aber ansonsten war nur von Hirten die Rede.
Hirten? Aber was sollen stinkende Hirten in einem Palast! Das muss ein Irrtum sein. Hier müssen schließlich auch alle draußen bleiben, die mit ihrem Anblick die feinen Menschen beleidigen könnten oder die gar rumhängen wie die Hirten, die doch den ganzen Tag nichts zu tun haben als ein bisschen nach den Schafen zu schauen. Die haben doch nichts aus ihrem Leben gemacht, sie stören hier doch nur und beleidigen unseren Glanz!
Ja, aber Gott will die Hirten zur Geburt da haben. Und das ist es ja gerade: Es soll nicht in einem Palast stattfinden.
Bitte? Wo denn sonst?
Ich kann es mir einfach nicht merken, es ist zu ungeheuerlich. Das muss ich noch einmal nachschauen. Warten Sie, hier habe ich es: Er zieht einen Zettel aus der Tasche:
Bethlehem, 24.12., nichts Aufwändiges, ein einfacher Stall, umgeben von Tieren, Hirten und später drei Weise:
So kommt Gott zur Welt.
Das verstehe ich nicht. In der Provinz? Nicht mal in der Hauptstadt? Aber wird Gottes Sohn denn nicht alles umkrempeln?
Ja, das schon, sagt der Chef. Aber eben anders. Ich glaube, ich verstehe es langsam: Gottes Sohn ist nicht die De Luxe Ausführung. Er ist ein 100%er Mensch. Gott will für alle da sein, und die meisten können sich de Luxe sowieso nicht leisten.
Jetzt erinnere ich mich wieder: Ein Engel meinte, dieser Sohn wird die Menschen von innen verändern. Weil Gott ihnen mit diesem Kind nahe kommt. Da, wo Gott ist, fühlen Menschen, dass sie Zuhause sind, eben willkommen, so wie sie sind. Die Feinen genauso wie die Armen und die ganz Normalen eben auch. Wenn alle willkommen sind, dann ist das de Luxe Modell falsch. Dann muss es etwas sein, was niemanden ausschließt. Wo alle reinkommen. Auch die schwierigen, stinkenden Leute.
Also, vielen Dank, ich glaube, ich finde hier nicht, was ich brauche. Ich werde lieber selber singen.
Und so geschah es dann auch:
Lesung der Weihnachtsgeschichte Lk 2,1-20
2. Predigt-Teil
Liebe Gemeinde,
Weihnachten ist nicht de Luxe. Weihnachten hat im Dunkeln angefangen, bei denen, die am wenigsten mit etwas rechnen konnten: der sehr jungen Frau, die schwanger, aber noch nicht verheiratet war, dem Zimmermann, der dachte, er wäre betrogen worden, und den Hirten, um die alle anderen lieber einen Bogen gemacht haben.
Gott wurde Mensch mitten unter ihnen. Als Neugeborenes, schutzbedürftig, anrührend. Gott kann zu uns Menschen ins Dunkle, abseits von der Glitzerwelt. Der Stall ist passend, weil er niemanden ausschließt. Alle können kommen zu Gott. Natürlich auch die Feinen und die Könige.
Aber die weisen Könige, das ist die Ironie der Geschichte, die haben etwas länger gebraucht. Sie haben sich durch den Glanz der Herrschenden ablenken lassen und den Stern verloren. Erst, als sie sich von der menschlichen Logik befreit haben, sahen sie ihn wieder: Den neu geborene König fanden sie in einem Stall.
Glücklicherweise sind sie drei angekommen, und auf unserem Titelblatt sehen wir sie in diesem Moment, abgebildet von einem chinesischen Künstler.
Das Bild finde ich, in Zeiten von barock geschmückten Tannenbäumen und Christmas de Luxe angenehm schlicht und, wie ich finde, wunderschön.
Maria beugt sich zärtlich über ihr Kind, ein Beispiel dafür, wie Gott sich geliebt zu werden wünscht: umhegt wie ein Neugeborenes, geliebt und glücklich machend dadurch, dass es da ist.
In der Mitte des Bildes ist die blauweiße Vase, die der älteste Weise mitgebracht hat, kostbares chinesisches Porzellan, und der Kranich darauf ist ein Wunsch für langes Leben. Später hat Jesus sich anders entschieden.
Also sind (doch) die Geschenke, der Konsum im Mittelpunkt des Geschehens?
Nein, denn die diagonalen Linien des Bildes verweisen auf das eigentliche Zentrum des Bildes, ein Detail, das erst auf den zweiten Blick auffällt: Jesus hat einen Apfel in der Hand, keinen goldenen wie ein Zepter, sondern einen ganz normalen Apfel, und um den geht es zu Weihnachten.
Der Apfel erinnert an die Frucht des Paradiesbaumes, von der Adam und Eva aßen. Gott hatte ihnen alles erlaubt zu essen, außer von diesem Baum. Aber die beiden beschlossen, nicht auf Gott zu hören, sondern selbst zu probieren, was sie für gut hielten. Sie überschritten Gottes Gebot und nahmen die verbotene Frucht des Paradieses. Seitdem ist das Paradies für uns Menschen verschlossen, unsere Arbeit mühselig und vieles im Leben auch. Schmerz und Leid gehören seitdem zu unserem Leben dazu. Die Erkenntnis von Gut und Böse hat nicht zu viel Weisheit geführt, sondern dazu, dass Menschen schuldig aneinander und an Gott werden. Könnte ich es doch ungeschehen machen, das mögen Adam und Eva gedacht haben, und das kenne ich auch, wenn ich merke, dass meine Unzulänglichkeit und meine Unaufmerksamkeit, mein Zorn oder Verletztheit etwas angerichtet hat, was mir über den Kopf wächst.
Das verlorene Paradies, die Nähe zu Gott: Dafür steht der Apfel, ein angebissener Apfel, um genau zu sein. Der Biss bleibt sichtbar, den Apfel kriegt man nicht wieder ganz. Zurück kann ich nicht mehr und muss leben mit dem, was ich mir und anderen antue.
Ich kann nicht zurück. Aber Gott kommt mir entgegen. Der neugeborene Jesus hat einen heilen Apfel in der Hand: Gott bringt zurück, was wir verloren haben. Nicht das Paradies. Aber Gott vergibt die Schuld. Bei Gott dürfen wir sein, wie wir sind, mit unserer Unzulänglichkeit und dem Kummer, den wir ungern mit anderen teilen, weil er so gar nicht in die glänzende Erfolgswelt passt.
Darum ist Weihnachten nicht de Luxe. Weihnachten ist die Geschichte von Gott, der für alle ein Zuhause sein will. Und Weihnachten ist die Geschichte von meinen dunklen Seiten, von Gott, mir ganz nah, von Vergebung, Versöhnung, vom Frieden mit mir selbst, mit der Welt und mit Gott.
Daran erinnern uns übrigens die Äpfel an manchem Tannenbaum. Die Weihnachtskugeln sind nichts anderes als ihre glänzende Ausführung. Jede erinnert an Gottes Sohn, der Segen aus meiner Unvollkommenheit macht. Darum strahlen die Weihnachtslichter: Das beste Geschenk macht uns Gott.
Amen
Susanne Bostelmann
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