|
Hiobs Stimme hat Gewicht im Himmel - Predigt von Pastorin Susanne Bostelmann zum Abschluss der Hiob-Ausstellung; Palmarum 2006, Lukaskriche
Predigt am Palmsonntag, 9.4.06 zum Abschluss der Ausstellung Hiobs Klage – Gottes Antwort in der Lukaskirche
Gnade sei mit euch und Friede von dem, der da ist und der da war und der da kommt.
Liebe Gemeinde,
ein letztes Mal hören wir heute von Hiobs Schicksal. In den vergangenen Gottesdiensten war die Rede davon:
Hiob war ein wohlhabender rechtschaffener Mann, glaubte an Gott und führte ein Leben, das von Menschenfreundlichkeit geprägt war. Doch plötzlich verlor er all sein Besitz und seine Kinder, und er wurde so schwer krank, dass er nur zu sterben wünschte.
Seine drei Freunde kamen und trauerten mit ihm, aber als sie zu reden begannen, zeigte sich, dass sie kein Trost für Hiob waren: Sie erklärten sein unendliches Leid so, wie sie es gelernt hatten: wer litt, musste etwas Entsprechendes getan haben, um diese Strafe zu bekommen.
Hiob aber wusste, dass dem nicht so war: Er hatte nichts getan, dass Gott zu einer Strafe herausforderte, denn er war wahrhaftig ein Gerechter.
All seines Besitzes und seiner Gesundheit beraubt und verlassen von seinen Freunden kämpft er mit Gott. Hiob fordert Gott heraus, er schleudert Gott sein Leid und seine Wut entgegen, ja, er will einen gerichtlichen Prozess: Er fordert Gerechtigkeit und eine Antwort von Gott.
Wo bist du Gott, wenn ich leide? Warum muss ich leiden, gerade ich?! Was habe ich dir getan? Und womit habe ich das verdient?
41 Kapitel und sicher eine für Hiob unendliche Zeitspanne stellt Hiob diese Fragen, streitet mit seinen Freunden und rebelliert er gegen Gott, der ihm so etwas antue. Dann geschieht das Unglaubliche:
Gott antwortet Hiob tatsächlich.
Gott ist nicht der ferne, unnahbare Gott. Gott ist nicht der Allmächtige, dem das Schicksal seiner Schöpfung gleichgültig ist.
Gott ist da für Hiob, redet mit ihm.
Was Gott sagt, ist allerdings höchst erstaunlich.
Denn Gott beantwortet Hiobs Fragen nicht. Gott erklärt auch Hiobs Leiden nicht.
Gott macht etwas anderes: Er stellt Hiobs Leid in ein ganz anderes Licht. Gott weitet Hiobs Blick.
Hiob hatte Gott herausgefordert, indem er Gott fragte: Wo warst du, als ich litt? Mit dieser Gegenfrage fordert nun Gott Hiob heraus: Wo warst du, als ich die Welt erschuf?!
Gott antwortete Hiob folgendermaßen:
Wo warst du, als ich die Erde gründete?
Wer setzte ihre Maße… wer hat ihren Eckstein gelegt, so dass die Morgensterne miteinander jubelten und alle Wesen frohlockten?
Hast du an einem deiner Tage je den Morgen entboten, der Morgenröte ihren Ort angewiesen, dass sie die Säume der Erde fasse, dass sie sich wandelt wie Ziegelton und alles sich färbt wie ein Kleid?
Was soll Hiob dazu schon sagen: Natürlich hat Hiob nichts zur Schöpfung der Welt beigetragen. Kein Mensch kann sich rühmen, bei der Schöpfung beteiligt gewesen zu sein. Denn wir sind Gottes Geschöpfe. Hiob kann nicht einmal etwas zu der kleinsten Morgenröte beitragen.
(Hier sehen Sie die Morgenröte, ein Bild aus der Ausstellung mit dem Titel beginnend.)
Gott sagt zu Hiob: Du tust nichts dazu, und dennoch kommt die Morgenröte jeden Tag aufs Neue, damit die Welt am Leben bleibt. Jeden Tag, mit jedem neuen Morgenlicht wird die Welt von mir neu erschaffen, beginnt die Geschichte mit euch Menschen und mir von neuem.
Du dachtest, mit deinem Leid muss die Welt untergehen, aber das Leben ist größer als dein Leid. Und ich bin da, sagt Gott, in meiner Schöpfung und für dich. Jeden Tag aufs Neue.
So weitet Gott Hiobs Blickfeld, und Hiob kann sich wieder als Teil eines Großen und Ganzen, das von Gott gehalten wird, verstehen. Nachdem Hiob in seinem Leid nur noch sich selbst und seinen Schmerz sehen konnte, zwingt ihn Gott, den Blick zu heben. Das zeigt sich in dem Format der Bilder, die sehr breit sind. Gott zwingt Hiob aufzusehen von seinem Schmerz:
Schau nur umher, in jeder Morgenröte, überall in der Schöpfung, überall kannst du mich finden.
Jeder neue Schöpfungsmorgen ist ein Zeichen dafür, dass Gott am Beginn des Lebens steht. Gott hat der Erde Halt gegeben und das Chaos begrenzt. Und nicht nur in der Finsternis der Nacht, auch in der Angst, die das Leben finster macht, scheint Gottes Licht wie ein neuer Tag. Gottes Schöpfung ist ein Zeichen dafür, dass Gott da ist für uns, die Haltlosigkeit mit Liebe begrenzt. Gott will das Leiden nicht. Und Gott ist da für uns im Leid.
Mit dieser Antwort bittet Gott Hiob, ihm zu vertrauen.
Hiob versteht: Er hat viel zu klein gedacht. Und Gott damit klein gemacht.
Darum antwortet er Gott: Ich weiß jetzt, dass dir nichts unmöglich ist, denn alles, was du planst, führst du auch aus. …Ich schäme mich für das, was ich sagte. In Staub und Asche nehme ich es zurück.
Auch mit diesem Gespräch zwischen Gott und Hiob beginnt etwas: Gott hat sich Hiob zu erkennen gegeben, und Hiob hat Gott wieder erkannt als die Schöpferkraft und den Bewahrer des Lebens. Das Böse, das Leid, ist in der Welt durch die Gegenkraft Gottes, durch den Satan, nicht durch Gott. Gott will und wollte nicht, dass Hiob leidet. Aber Gott ist da für ihn – gerade im Leid. Dieser Blick war Hiob verstellt, nun ist er wieder frei.
Aber das ist noch nicht alles: Denn nun redet Gott zu den Freunden. Sie haben in Gottes Augen Unrecht geredet. Denn, das stellt Gott klar, Hiob ist natürlich unschuldig. Es ist keinesfalls Gottes Wille oder eine Strafe gewesen, dass Hiob leiden musste. Die Freunde haben Gott ebenfalls menschlich und viel zu eng gedacht, aber auf eine Weise, die nicht nur Gott, sondern auch Hiob sehr geschadet hat. Darum haben sie Schuld auf sich geladen.
Aber Gott will sie nicht strafen. Gott will das Böse durch die Menschen nicht vermehren. Gott sagt: Hiob, mein Knecht, soll für euch beten, denn auf ihn will ich achten, dass euch nichts Schlimmes angetan werde, denn ihr habt nicht richtig vor mir geredet wie mein Knecht Hiob.
Hiob wird damit für seine Freunde zu einer Stimme im Himmel, und er steht damit so für sie ein, wie er es sich von ihnen gewünscht hatte. Die Stimme des Leidenden hat im Himmel Gewicht. Denn Hiob hat an Gott festgehalten, wenn auch auf seine wütende, rebellische Weise.
Sehr spannend finde ich: Hiob wird in dem Moment, wo er für seine Freunde betet, gesund! In dem Moment des Gebets für andere beginnt für ihn auch existentiell Neues: Er gesundet, wird rehabilitiert, bekommt weitere Kinder und erhält sogar noch mehr Besitz als zuvor.
Wer im Leid auch andere sieht, hat schon den Blick gehoben und ist bereits auf dem Weg zur Heilung.
Hiobs Stimme hat im Himmel Gewicht. Denn Hiob ist trotz der Versuchung durch das Leid Gott treu geblieben und hat nun verstanden, dass Gott die ganze Zeit da war für ihn, auch in der empfundenen Gottesferne.
Jesus hat ebenfalls die Gottesferne im Leid erlebt und dennoch an Gott festgehalten: Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen, ruft er am Kreuz – und gleichzeitig sind dies Worte aus dem 22. Psalm. Er spricht in dieser Gottverlassenheit Gott im Gebet an.
Auch Jesus leidet unschuldig. Im Gegensatz zu Hiob weiß er aber, warum er leidet. Er hat diese Konsequenz seines Handelns bewusst auf sich genommen. Sein gewaltsames Ende, die Einsamkeit, Verspottung, Folter und die Todesstrafe eines Verbrechers, all dies entlarvt er so als Folgen der Machtbesessenheit von Menschen, die zu Gottes Gegenspielern werden. Es ist anders gesagt die Macht desselben „Satans“, der Hiob das Leid brachte und jetzt Jesus ans Kreuz bringt und damit versucht, ihn abschwören zu lassen von Gott, von der Botschaft der unbedingten Liebe. Dann hätte der Satan endgültig gesiegt.
Jesus aber bleibt Gott und seiner Botschaft treu. Damit ist die Macht der Gegenspieler gebrochen. Die Sache Jesu geht weiter. Gottes Reich ist längst unter uns, allen weltlichen Reichen der Gottesgegner zum Trotz.
Die Jünger erinnern sich später daran: Begonnen hat es mit den vielen Heilungen von Leib und Seele. Ein Zeichen war auch die Auferweckung des toten Lazarus.
Und gefeiert wurde dies mit dem Einzug Jesu nach Jerusalem. Da merkten viele Menschen: Hier beginnt etwas Neues und völlig anderes, ein Reich voller Hoffnung und Liebe, das mächtiger ist als alle menschlichen Machthaber. Jesus hat es gelebt: In Gottes Reich werden die Leidenden gesehen. Hier herrscht Friede, und seinem König Jesus Christus geht es nicht um seine Macht, sondern um das Wohlergehen aller Menschen.
Er kam nicht zu Pferd und bewaffnet, sondern auf einem Eselsfüllen. Einen roten Teppich gab es nicht. Das Volk aber winkte mit Palmzweigen und legte seine Mäntel vor ihm aus. Lassen Sie uns heute am Palmsonntag mit den Menschen feiern und damit ausrufen, was damals begann: Hosianna, gepriesen sei er, der kommt im Namen Gottes, und Liebe und Gerechtigkeit wachsen lässt unter den Menschen.
Amen
Susanne Bostelmann
|
|