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Warum gibt es Böses auf der Welt? Predigt am 13.2.2005 über den "Sündenfall", in der Vicelin- und Lukaskirche, zu 1. Mose 3, von Pastorin Susanne Bostelmann

Mittelalterliche Buchmalerei

Gnade sei mit euch und Friede von dem, der da ist und der da war und der da kommt.

Liebe Gemeinde,

Warum gibt es das Böse auf der Welt? Und Gott sah, dass es gut war, heißt es im Schöpfungsbericht – Aber warum gibt es dann all das auf der Welt, was ganz und gar nicht gut ist? Warum müssen wir um alles kämpfen, wo Gott uns doch mit der Schöpfung alles bereit gestellt hat? Warum ist unsere Arbeit oft mit Mühsal und Demütigungen verbunden, warum sind Beziehungen zwischen Mann und Frau oft so schwierig und manchmal quälend?
Auf all das möchte die Geschichte vom Sündenfall gleich im 3. Kapitel der Bibel uns eine Antwort geben.
Mit der Schlange fängt alles an. Sie ist ein Geschöpf Gottes, wie alles auf der Erde. Aber sie ist klug und listiger als alle anderen, heißt es; sie ist wie eine innere Stimme, die diskutiert und nagt, und irgendwann werden wir schwach, weil sie so Verlockendes anbietet:
Raffiniert verdreht sie Gottes Wort: Hat Gott nicht gesagt, esst nicht von allen Bäumen des Gartens, damit ihr nicht sterbt? Nein, weiß Eva, Gott hatte nur von dem Baum der Erkenntnis gesagt, den dürfen wir nicht essen, damit wir nicht sterben.
Aber es nagt doch in ihnen, das Verbot; ich kenne es aus eigener Erfahrung: Manches wird erst durch ein Verbot interessant: Geh nicht in die Ecken der Stadt, sie sind gefährlich – und schon steigt das Interesse für sie, die ich sonst gar nicht wahrgenommen hätte, enorm.
Oder die verbotenen Weihnachtszimmer früher, welchen Reiz übten sie aus, und ist es mit den Verboten für Alkohol und Zigaretten für euch Jugendliche nicht auch so?

Gott hatte gesagt: Esst nicht vom Baum der Erkenntnis des Guten und Bösen, dass ihr nicht sterbt.
Die Schlange aber meinte: Ihr werdet nicht sterben, wenn ihr davon esst, sondern euch werden die Augen geöffnet und ihr werdet sein wie Gott und wissen, was gut und böse ist.
Wer hat denn recht? Adam und Eva mussten entscheiden zwischen der Version von Gott und der der Schlange.
Die Versuchung war groß, das Verbotene interessant, die Frucht sah so appetitlich aus und es war sehr verlockend, klug zu werden, wie Gott zu sein und nicht zu sterben.
Und das ist ja auch eine große Verlockung: Endlich unabhängig sein; allein wissen, was gut ist, ohne Vorschriften und ohne jemandem verantwortlich für mein Handeln zu sein. Kurz: Frei zu sein, so wie Gott - das wäre doch was!
Das ist die Wurzel der falschen Entscheidungen, die Grund-Sünde. Das Wort Sünde kommt von Ab-Sondern: Sünde ist, sich von Gott abzusondern, zu meinen, die Menschen könnten ohne Gott auskommen. Der zweite Grund des Übels ist die Selbstüberschätzung oder der Größenwahn: Zu meinen, wir könnten Gott ebenbürtig sein. Das kommt nicht von außen, es nützt nichts, den anderen, der Schlange oder wem auch immer die Schuld zuzuschieben: Sie wussten genau, was sie taten.

So übertraten die Menschen das einzige Gebot in Gottes Garten. Und was kam dabei raus? Ich finde es bemerkenswert:
Adam und Eva starben nicht, wie Gott es gesagt hatte. Jedenfalls starben sie nicht sofort. Insofern behielt die Schlange recht. Hat Gott also gelogen, wie ein Konfirmand meinte, als wir die Geschichte besprachen? Nein, Gott hat nicht gelogen, denn Adam und Eva waren schon immer sterbliche Geschöpfe Gottes; Denn du bist Erde/von Erde gemacht (Adam) und sollst wieder zu Erde (Adama) werden. Aber nun erst wurden sie sich ihrer Sterblichkeit bewusst. Im Paradies lebten Adam und Eva in einem unbewussten Zustand, so wie Kinder meinten sie, ewig zu leben. Nun gingen ihnen die Augen auf, da hatte die Schlange recht, aber was sie nun sahen und erkannten, war enttäuschend im Gegensatz zu den Versprechungen der Schlange: Sie wussten nun, dass ihr Leben ein Ende haben würde. Damit kamen Erschrecken, das Wissen um die Zerbrechlichkeit des Lebens, die Angst und die Scham: Vor allem sahen sie, dass sie nackt waren und mussten ihre Scham bedecken.
Ja, sie versteckten sich sogar vor Gott aus Scham, sie schämten sich ihrer Übertretung gegen Gottes Gebot. Wie Gott wollten sie werden, aber stattdessen benahmen sie sich wie Kinder, die die Augen zumachen und hoffen, damit nicht gefunden zu werden. Sie hofften, sie könnten vor Gott verbergen, was geschehen war, als könnten die Menschen vor Gott fliehen.
Die Schlange hatte weniger als die halbe Wahrheit gesagt. Und an der entscheidenden Stelle hatte sie unrecht: Adam und Eva wurden eben nicht wie Gott und sterben würden sie auch irgendwann. Sie konnten nun gut und böse unterscheiden, waren verletzlich und schamhaft geworden und wussten um ihre Sterblichkeit. Mehr nicht. Ihr Verhalten war immer noch kindisch, nicht von verantwortungsvollem Handeln in Freiheit geprägt.

Mensch, wo bist du! Ruft Gott sie zu sich. Das ist bis heute Gottes Frage an uns. Wo bist du, wie stehst du zu mir, fragt Gott uns. Rechnest du mit mir in deinem Leben, fragt Gott, oder bist du auf der Flucht vor mir wie Adam und Eva, oder hast du dich schon sehr weit entfernt, mich gar vergessen?
Mensch, wo bist du, das ist für mich bis heute der Ruf von Gottes Liebe, die sich nach einem Gegenüber sehnt, nach dem Schöpfer des Lebens, der seine Geschöpfe anspricht, egal, was geschehen ist und wo diese sind.
So kriechen sie hervor aus ihrem Versteck. Was sie zu sagen haben, dafür könnten sie vor Scham gleich wieder im Boden versinken: Sie übernehmen die Verantwortung für ihr Handeln nicht, sondern schieben die Schuld immer auf die nächsten: Die Frau hat mich verlockt, die Schlange hat mich betrogen...
Das hat Konsequenzen:
Seitdem ist das unbelastete Verhältnis zu Gott vorbei. Das Leben ist schmerzhaft geworden und mühselig in allen seinen Aspekten, weil die Nähe von Gott verloren gegangen ist, weil die Menschen sich abgewandt haben von Gott. Gott hat den Menschen ihre ersehnte Freiheit geschenkt. Sie können sich nun entscheiden zwischen gut und böse, zwischen richtigem und falschen Handeln. Die Menschen können ihr Leben von nun an selbstständig gestalten – aber sie müssen es auch!

Traurig ist das und gleichzeitig reizvoll. Eine Konfirmandin sagte, ein Glück, dass es den Sündenfall gab! Denn vorher waren die Menschen zu glücklich, und das ist irgendwie doch langweilig. Außerdem haben sie vielleicht unbewusst Schlechtes getan und wussten es nicht einmal besser.
Seitdem wissen wir bestens, wie wir handeln sollten, und wir haben die Herausforderung, die die Freiheit und das selbstständige Denken uns bieten. Das ist die positive Seite daran.
Aber die negative Seite gibt es auch.
Dass wir nun unterscheiden können zwischen Böse und Gut, führt nämlich nicht dazu, dass wir das Gute auch tun. Im Gegenteil, die Versuchung, Gottes gute Leitlinien zu übertreten, ist groß. Noch immer kämpfen wir Menschen mit der Freiheit, die wir gewonnen haben, aber nicht richtig nutzen können.

Denn die Verlockungen sind groß. Lauter Halbwahrheiten hatte die Schlange gesagt. Gern verschließen wir die Augen vor der anderen Hälfte der Wahrheit, meist vor den Konsequenzen unseres Handelns, die wir nicht sehen wollen.
Halbwahrheiten oder Verharmlosungen scheinen mir auch heute noch der Grund dafür, dass wir Menschen häufig Gottes Gebote übertreten und uns für eine Handlungsweise entscheiden, die nicht gut für uns oder andere ist:
- Natürlich führt eine Zigarette, ein Glas Alkohol, nicht zur Sucht, aber sie verleitet gerade euch Jugendlichen zur nächsten und zur nächsten, und die Schwelle, dem Reiz nachzugeben, wird immer niedriger. Das alles ist noch harmlos, weil man meist nur sich selbst schadet.
- Halbwahrheiten und Lügen spielen auch immer eine Rolle, wenn Kriege begonnen werden, denken wir nur an den Irakkrieg oder den in Bosnien. Von vermeintlichen Opfern, die gerettet werden müssen, wurde da gesprochen, von angeblichen Massenvernichtungswaffen oder es werden falsche Versprechen abgegeben, dass ein Krieg fast ohne Opfer möglich sei.
- Auch unser Wohlstand ruht zum Teil auf Halbwahrheiten. So wird nicht gesagt, welche Ursache der sehr günstige Preis für Lebensmittel oder Kleidung hat: Dass nämlich Menschen irgendwo auf der Welt unter unwürdigen und gesundheitsschädlichen Bedingungen Turnschuhe oder T-Shirts nähen oder Bananen anbauen und ernten zu Löhnen, die nicht einmal für ihr Leben reichen.

Halbwahrheiten und Verharmlosungen reden es uns ein, es sei schon nicht so schlimm, was wir tun. Es gibt Erklärungen, warum es so schwer ist, das richtige zu tun. Aber jeder Mensch ist doch für das eigene Handeln verantwortlich. Gott hat uns die Entscheidungsfreiheit gegeben, die wir wollten. Wir Menschen haben dies ausgenutzt, uns von Gott zu entfernen, sozusagen aus dem Paradies der unbedingten Gemeinschaft mit Gott. Seitdem laden wir Schuld auf uns, oft ohne es zu wollen.
Glücklicherweise fängt hier die Geschichte Gottes mit den Menschen erst an. Gott hat die Menschen aus der unbedingten Gemeinschaft in die Freiheit entlassen – aber die Geschichte von Gott und den Menschen geht weiter. Gott kommt immer wieder auf uns Menschen zu; Gott ist immer wieder da, sucht und ruft uns. Und Gott gibt uns auch Hilfestellungen, das richtige zu tun. Die 10 Gebote z.B., oder deren Zusammenfassung: du sollst Gott lieben und deine Nächsten wie dich selbst. So einfach und so schwer ist es, nach Gottes Willen zu handeln und Gutes zu tun.
Gott traut es uns zu und lädt uns dazu ein.

Nun ist es an uns, auf die Frage zu antworten: Mensch, wo bist du?
Hier bin ich, Gott.

Amen


 
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