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Gott erscheint in der Welt; Predigt am 16.1.2005 zu 2. Mose 3 (Der brennende Dornbusch), von Pastorin Susanne Bostelmann

Mose vor dem brennenden Dornbusch

Gnade sei mit euch und Friede von dem, der da ist und der da war und der da kommt.
Liebe Gemeinde,
die warmen Kerzenlichter der Weihnachtszeit haben wir noch im Rücken, da hören wir von einem Feuer. Noch sind wir erwärmt von der guten Nachricht, dass Gott uns in dem Kind in der Krippe ganz nahe kommt – da hören wir eine andere Geschichte, in der Gott auf der Erde erscheint.
Und auch diesmal spielt ein Hirte die Hauptrolle:

Dieser Hirte ist Mose, ja, der wohl vielen bekannte, der vielleicht 2000 Jahre vor Jesus lebte: Wie Jesus wurde er als Kind gerettet, als der Herrscher von Ägypten die männlichen Säuglinge der Israeliten umbringen ließ. Durch die List seiner Mutter und Schwester wurde er sogar im ägyptischen Königshaus von der Tochter des Pharaos aufgezogen.
Als junger Mann war Mose aufbrausend und hatte einen ausgeprägten Gerechtigkeitssinn: Als er einmal sah, wie ein ägyptischer Aufseher die als Sklaven arbeitenden Männer seines Volkes schlug, wurde er so zornig, dass er diesen Aufseher erschlug.
Er erschrak vor der Tat, die nicht mehr rückgängig zu machen war. Er, der so für Gerechtigkeit war, hatte einen Menschen umgebracht! Und war er beobachtet worden: Seine Landsleute, die Sklaven, ließen seine Stimme nicht mehr gelten. Sie sagten: Du willst Richter über uns sein, nach dem, was du getan hast?! Mose war beschämt über seine Tat und fürchtete sich, entdeckt zu werden. Er war zu weit gegangen und hatte seine Glaubwürdigkeit verloren. Nun musste er fliehen in ein fremdes Land.
In der Fremde fand er Arbeit als Schafhirte, heiratete und bekam einen Sohn. Aber trotzdem: Mose fühlte sich fremd und spürte, dass er als Hirte am falschen Ort war. Bis zu dieser beeindruckenden Erscheinung:

Einmal kommt er beim Schafehüten in eine fremde Gegend. Er weiß nicht, dass der Berg, an dem er steht, ein besonderer Berg in der Geschichte seines Volkes ist. Und da, unerwartet, auf dem Tiefpunkt seines Lebens, fällt sein Blick auf ein Feuer:
Ein Dornbusch brennt. Das kommt vor, denn so ein trockenes Kraut ist ein Nichts in der Hitze der Halbwüste. Aber dieser Busch brennt, aber er verbrennt nicht.
Mose wird neugierig, geht näher heran an diese wundersame Erscheinung. Da hört er Gottes Stimme, aus dem Busch ruft Gott seinen Namen rufen: Mose, Mose.
Hier bin ich, sagt er. Er lässt sich rufen.
Aber weiter heran darf er nicht. Gott sagt: Tritt nicht herzu und ziehe die Schuhe von deinen Füßen, denn der Ort, auf dem du stehst, ist heiliges Land.

Auf dem Tiefpunkt eines Lebens erscheint Gott. Hier erscheint Gott im Feuer. Ein Feuer kann wärmen und Licht geben in der dunklen Nacht. Die Hirten brauchen es nötig, auch um wilde Tiere zu vertreiben. Aber Feuer ist auch gefährlich, es kann verzehren, verbrennen, verschlingen. Mose darf nicht zu nah heran. Er muss in sicherer Entfernung stehen bleiben.
Tritt nicht hinzu! Sagt Gott. Auch mir.
Gott kann ich mich nicht unendlich nähern. Manchmal möchte ich es so gern, Gott spüren, nahe bei mir haben. Aber Gott ist auch gefährlich. So, wie die Sonne, die zu hell ist, als dass wir direkt hinein schauen könnten, ist Gottes Heiligkeit zu groß, zu schwer, zu unbegreiflich für uns Geschöpfe.
Das ist erstmal überraschend: Es ist gut, zu Gott Distanz zu halten, weil Gott auch etwas Unerträgliches für uns hat.
Mose verhüllt seine Augen, weil der Anblick nicht zu ertragen ist. Es ist eine große Kunst, den gebührenden Abstand zu finden, aus dem etwas brennt und mich erwärmt, aber ich nicht verbrenne: Zu Gott, aber auch zu dem, wofür ich brenne: Für meine Ideale und meine Hoffnungen, für diese Gemeinde, für eine Gruppe, für die Gerechtigkeit: ich weiß, dass ich manches Mal, wenn ich für etwas Feuer und Flamme war, schon über das Ziel hinaus geschossen bin. Dass ich mich verrannt habe und der Sache (und mir auch) mehr schadete als half. Manchmal habe ich mich in der Menge der Arbeit verloren, konnte nicht mehr das Wichtige von Unwichtigem unterscheiden, weil mir die Distanz fehlte. Abstand ist wichtig: Gerade von dem, was mir heilig ist. Sonst bin ich in Gefahr, dass es mich verbrennt.

Mose bleibt auf Abstand, und er trifft noch eine weitere Vorkehrung, die sehr interessant ist: Er zieht seine Schuhe aus.
Wenn ich barfuß bin, bin ich sehr verletzlich. Füße sind ein intimer Körperteil und sehr sensibel. Wenn ich sie entblöße, kann ich das Gras wachsen fühlen oder ich muss über jede Unebenheit humpeln. Meine Füße haben Kontakt zu meinem gesamten Körper und allen Organen.
Zieh deine Schuhe aus: Das heißt für mich, wenn Gott mich ruft, ist es gut, mich zu schützen, indem ich den gebührenden Abstand finde, aber auch, mich offen und sensibel zu machen. Wenn Gott mich anspricht, möchte ich durchlässig sein an Leib und Seele für das, was Gott mir sagt.
Denn Gott hat etwas vor mit Mose, dem gescheiterten Fremdling, so wie Gott auch etwas mit uns vor hat.
Gott hat das Elend des unterdrückten Volkes in Ägypten gesehen. Ihre Schreie hat Gott gehört, ihre Leiden erkannt. Sie sollen gerettet werden aus der Bedrückung, befreit sollen sie werden aus der Not. Gott braucht Mose dafür: So geh nun hin, ich will dich zum Pharao senden, damit du mein Volk, die Männer und Frauen Israels, aus Ägypten führst.

Heute haben wir keine Sklaverei mehr hier. Aber unterdrückt, im Sinne von „unter Druck“ sind wir hier auch:
Erfolgsdruck und Leistungsdruck fallen mir ein. Ich muss möglichst gut sein, um bestehen zu können, vor der Konkurrenz und den Kolleg/inn/en, vor allem in Zeiten eines knappen Arbeitsmarktes, der zusätzlichen Druck ausübt. Ich bin, was ich leiste, muss Erfolge, gute Ergebnisse liefern, in möglichst kurzer Zeit. Und ihr Konfirmand/innen: Von euch wird ebenfalls erwartet, möglichst gut zu sein in der Schule, wegen der Zukunft.
Zeitdruck ist ein weiteres Beispiel. Zeit ist Geld, heißt es, und Zeit ist das, was den meisten fehlt. Weil so vieles gleichzeitig sein muss. Weil das Leben so kurz ist und der Tag und es so viele Notwendigkeiten und Wünsche gibt. Viel zu viele Überstunden werden abgeleistet, oft ohne Vergütung, aus Angst, den Arbeitsplatz zu verlieren. Finanzdruck geht mit dem Zeitdruck einher.
Gruppendruck gibt es auch, etwas, das ihr Jugendlichen vielleicht am meisten spürt: So sein zu müssen wie die anderen, sich ein- und unterordnen müssen, auch wenn ich das eigentlich nicht will.
Wir alle stehen unter hohem Druck in unserer Gesellschaft, an unterschiedlichen Orten, am Arbeitsplatz und Zuhause, in der Schule und auch in unseren Gemeinden.

Aber Gott sagt: euer Geschrei ist vor mich gedrungen, ich habe eure Not gesehen. Gott weiß, unter wieviel Druck wir stehen.
So geh nun hin, sagt Gott, ich will dich senden, damit du mein Volk vom Druck befreist.
Gott hat viel mit Mose vor, gerade mit ihm, dem Gescheiterten: er soll die Führung in der Befreiung übernehmen.
Mose ist erschrocken: Wer bin ich? ist seine Frage, Wer bin ich, dass ich zum Pharao gehe und die Israeliten aus Ägypten führe? Ich, ein Gestrandeter, ein Hirt in der Fremde? Was kann ich schon ausrichten gegen die Bedrückung?

Wie – Ich? Wer bin ich, was kann ich schon tun zu dieser Befreiung? Was Mose fragt, kenne ich auch. Ausgerechnet ich mit meinen kleinen und großen Katastrophen und Niederlagen, mit all dem Glanzlosen im Leben, und mit dem, wo ich unzufrieden bin?
Wer bin ich schon, dass du ausgerechnet auf mich kommst, Gott...
Gott geht auf solche Einwände nicht ein. Gott beschwichtigt auch nicht oder sagt: Ich will dich wegen deiner guten Leistung oder weil du sonst irgend etwas gut kannst.
Gottes Antwort ist schlicht: Ich werde mit dir sein.

Mit einem Versprechen und einer Herausforderung erscheint Gott Mose und uns heute. Wer bin ich? Und: Wer ist Gott? Beide fragen kommen hier zur Sprache:
Wer bin ich? Ich bin, jede und jeder von uns ist Gottes Geschöpf, mit genau mir und dir und uns Gott etwas vor hat. Nicht, weil wir etwas besonderes leisten, sondern weil wir Gottes geliebte Kinder sind. Auch mit unseren Schwächen. Vor Gott muss ich mich nicht hocharbeiten oder Überstunden machen, damit ich befördert werde. Gott lädt mich ein, so wie ich bin, an dem großen Vorhaben mitzuwirken.

Wer ist Gott? Gott ist: Gott von Abraham und Sara und den anderen Vorfahren, Gott war mit ihnen auf ihren Lebenswegen. Und Gott ist mit uns. Das ist Gottes Name, mit dem Gott sich vorstellt: Ich werde sein, der ich sein werde mit dir. In diesem Namen sind das Versprechen und das Vorhaben enthalten: Gott hat unsere Not gesehen und will uns befähigen, etwas dagegen zu tun.
Und das kann ich auch, weil Gott nämlich bei mir ist. Wie das aussieht, das hängt auch von mir ab.
Wie die Geschichte von Mose weiterging, können wir im 2. Buch Mose lesen. Mose hat ja gesagt zu seiner Beauftragung, obwohl er sicher viel Angst hatte, sich als einzelner vor den König Ägyptens zu stellen mit einer völlig vermessenen Forderung, die Sklaven freizugeben. Mose hat es gewagt, und er hat es geschafft. Gott hat ihn unterstützt in seinem Auftrag der Befreiung, auf sehr verschiedene Weise, aber immer wieder spürbar für Mose. Das Volk ist aus Ägypten frei gekommen, aber es hatte einen langen Weg vor sich. Manchmal ist Mose mit dem Volk auch im Kreis gegangen und in Sackgassen geraten. Manchmal schien Gott weit fort, aber dann war Gott wieder da in der Feuer- und Rauchsäule, die den Weg wies. Gott hat den Weg in die Freiheit auch unterstützt, indem er Mose die 10 Gebote gab.
Und wie geht unsere Geschichte mit Gott weiter? Gott ruft uns, und das Versprechen steht: Ich werde sein mit dir. Gott hört die Not und will Befreiung: Aber nur mit mir, nur mit uns, so wie wir sind. Wo wir uns entflammen lassen ohne uns zu verzehren, wo unser Herz für etwas brennt, so dass wir uns einsetzen wollen, das müssen wir je für uns herausfinden.
Aber wir können etwas dazu beitragen, den Druck, der auf uns allen lastet, zu mildern oder herauszunehmen. Vielleicht mal Gegenrede halten oder von anderen Idealen sprechen als dem der Leistung. Viel wäre schon geholfen, wenn wir nicht noch dazu beitragen, Druck aufzubauen oder weiterzugeben an andere, an die Kinder.

Gott wird da sein mit uns. Uns nicht immer vor allem bewahren, auch die Sackgassen und Tiefpunkte im Leben bleiben uns nicht erspart. Aber auch da ist Gott. Denn das ist Gottes Name.

Mit Gottes Namen: Ich werde da sein wird mit dir, kann ich wunderbare Blüten treiben. So wie ein Dornbusch, dieses unscheinbare Gestrüpp, wunderschön blüht, wenn seine Zeit gekommen ist.

Amen

 
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