Sonntagsgruß
Sonntagsgruß für den 5. Juli - hier anklicken...
Der Sonntagsgruß zum 4. Sonntag nach Trinitatis bietet hier die Nachlese der Predigt, die Pastor Frank-Ulrich Schoeneberg am 5. Juli im Gottesdienst über den Text aus Römer 12 gehalten hat:
Vergeltet niemandem Böses mit Bösem.
Seid auf Gutes bedacht gegenüber jedermann.
Ist's möglich, soviel an euch liegt, so habt mit allen Menschen Frieden. Rächt euch nicht selbst, meine Lieben, sondern gebt Raum dem Zorn Gottes; denn es steht geschrieben: »Die Rache ist mein; ich will vergelten, spricht der Herr.« (5. Mose 32,35)
Vielmehr, »wenn deinen Feind hungert, so gib ihm zu essen; dürstet ihn, so gib ihm zu trinken. Wenn du das tust, so wirst du feurige Kohlen auf sein Haupt sammeln«. (Sprüche 25,21.22)
Lass dich nicht vom Bösen überwinden, sondern überwinde das Böse mit Gutem
Römerbrief 12,17-21
Das zahle ich dir heim, du wirst schon sehen… ein Satz, den jeder wohl schon einmal zumindest in Gedanken bewegt hat. Da tut jemand uns etwas an, was auch immer es sein mag, was da verletzte oder an Schädigung zu denken ist, ein böses Wort, eine gemeine Tat – das zahle ich dir heim.
Vergeltet niemandem Böses mit Bösem, schreibt nun Paulus an die Leute in Rom und gibt uns heute Morgen auf, über das nachzudenken, was Vergeltung ausmacht. Das zahle ich dir heim… In meinen Überlegungen bleibe ich im Zwischenmenschlichen, denn es geht mir nicht um die großen Fragen der Justiz, über den Sinn von Strafen und Sanktionen, es geht mir um das Miteinander im Alltäglichen.
Vergeltet niemandem Böses mit Bösem – das ist ein kluger Gedanke, weil meist die Rechnung fortgeführt wird, Vergeltung über das Maß hinausschießt und zur Eskalation führen kann, indem sich mit den Erwiderungen die Vergeltungsmaßnahmen Schritt für Schritt steigern. Was aber macht man, wenn das Erleiden einer bösen Tat ja alle Gefühle wie Wut, Ärger, Zorn in uns weckt? Vergeltung geschieht meist im Affekt, das Gefühl ist die erste Reaktion, das sich in uns regt: Das zahle ich dir heim…
Rache ist das Wort, das im biblischen Text verwendet wird. Paulus greift es auf und es beschreibt ja genau den kniffligen Punkt im Zwischenmenschlichen: da will man nicht mehr verhandeln, nicht mehr miteinander reden oder klären, was geschehen ist, da herrscht das Gefühl, dass nur Rache allein entschädigt. Sicher wird niemand von sich gern sagen, dass er Rache übt. Das Wort klingt groß und erscheint negativ. Aber im Grunde genommen ist jede Erwiderung auf etwas Böses hin, die selbst wiederum Schädigung und Böses bewirkt, nichts anderes als Rache.
Wir dürfen nun den griechischen Text des Paulus gern genauer unter die Lupe nehmen. Was in der Lutherübersetzung mit dem Wort Böse wiedergegeben wird, bewegt ja eindeutig eine moralische Wertung. Nüchterner und offener ist das griechische Wort im Ursprung, weil es auch ganz schlicht das Schlechte meinen kann. Es ist eine Erfahrung, die jeder macht, dass es im Miteinander kaum zu vermeiden ist, dass mal etwas schief geht, einem Schlechtes wiederfährt – mitunter auch gar nicht einmal absichtlich, sondern unbedacht und wie man sagt: aus Versehen. Dass im Miteinander nicht nur Gutes geschieht, sondern auch hier und da der Einzelne Schlechtes erfährt, ist der Normalfall – Vergeltung gehört da nicht hin und sorgt nicht dafür, dass das Miteinander wieder zurechtkommt.
Ich halte es für befreiend, wenn nicht alles auf moralischer Goldwaage abgemessen wird, sondern Fehler, Versehen oder unbedachte Worte und Taten nüchterner betrachtet werden als das, was sie eben sind: menschlich.
Mein ist die Rache, sagt Gott – so zitiert Paulus die Schrift. Das, finde ich, ist ebenfalls ein kluger Gedanke. Denn es entlastet denjenigen, der auf Vergeltung aus ist, der mit seiner Wut im Bauch nicht mehr weiß wohin – der darf sich entlasten im Vertrauen darauf, dass Gott vergilt und nicht wir einander vergelten müssen, was wir einander angetan haben. Sich Gott zu überlassen auch mit dem Gefühl der schmerzvollen Aggression, der Wut im Bauch, dem Kopfkino, wie am besten zu vergelten wäre, darum geht es. Sich Gott zu überlassen, läutet einen heilsamen Prozess ein, entschärft die aufgestaute Energie und vor allem: entwaffnet die Gedanken.
Paulus argumentiert mit der biblischen Aufforderung, dass selbst dem Gegner Gutes getan werden soll - das übrigens, wer genau liest, merkt es, nicht aus vergebender Nächstenliebe, sondern um insgeheim den Zorn Gottes zu vergrößern, so dass die göttliche Heimzahlung entsprechend gewaltiger ausfällt… so konsequent klingt das nicht nach Vergebung und Nächstenliebe…
Ich halte fest: Das erste „Gut“, das Gute, um das es geht, ist die eigene emotionale Abrüstung im Konflikt mit einem Mitmenschen: Vergeltung Gott überlassen - und dann im nächsten Schritt befreit von Wut und Ärger das Beste im Miteinander suchen. Und sollte es nicht gelingen, wenigstens einander schadlos friedlich aus dem Weg zu gehen.
Seid auf Gutes bedacht gegenüber jedermann, schreibt Paulus, was er in der abschließenden Aufforderung verdichtet: Lass dich nicht vom Bösen überwinden, sondern überwinde das Böse mit Gutem.
Paulus Aufforderung leuchtet ein. Erfrischend dieser Appell, denn das Böse als Option unseres Handelns bezwingen wir nicht, indem wir es schlicht und einfach unterlassen, nein, indem wir konsequent das Gute suchen, nur so ist das Böse in den Griff zu kriegen.
Allerdings ist es mit Gut und Böse ja nicht so einfach. Denn auch das Gute, ja das Beste, das wir zu tun meinen, kann sich als schlecht erweisen, „böse“ Folgen haben. Ein moralisches, menschliches Dilemma. Was gut und schlecht ist, erweist sich im Kontext und meist erst im Nachhinein. Ich glaube, Paulus kannte dieses Dilemma. Und er kannte die Grenzen der menschlichen Moral.
„Wollen habe ich wohl, aber das Gute vollbringen kann ich nicht“, schreibt er ebenfalls im Römerbrief. „Das Gute, das ich will, das tue ich nicht, das Böse, das ich nicht will, das tue ich.“ (Röm 7,18b.19)
So ist der Mensch: Es mangelt ihm an Gutem, der unbedingten Güte. Er kann es nicht erreichen, selbst wenn er alle Regeln der Moral und des Anstands befolgen würde. Vor Gott bliebe er ein moralisches Mängelwesen. Die gläubige Erkenntnis des Paulus lautet, dass wir Menschen allenfalls in der Christusverbundenheit dem Dilemma entkommen können. Dabei gilt ganz nüchtern: Bilde dir nicht ein, du könntest perfekt und nur gut handeln, stets im Recht sein, das Gute zu tun. Lass dich ein auf das menschliche Dilemma, das du es nicht wissen kannst und sich alles verkehren kann, was du selbst an Moral hochzuhalten meinst. Paulus wirft sich in der moralischen Gebrochenheit seiner Person ganz und gar auf das Kreuz, er ertrinkt in Christus, lässt sich im Wasser der Taufe ganz und gar ergreifen, geht unter und ersteht neu. Mit ganzem Herzen und ganzer Seele richtet er sich auf Christus aus, überlässt ihm die geistliche Regie.
Das mag für uns unwirklich klingen. Ist aber ganz einfach. Gegen das Böse gibt es nur ein Mittel: Aus freien Stücken Gutes tun, reden und Handeln – dazu befreit uns Christus im Glauben.
Die evangelische Antwort auf die Frage, wie der Mensch gut sein kann, lautet einfach: Vergiss es, wenn du es ganz allein versuchst. Lass dich im Glauben zum Guten befreien, versöhnt und bestärkt wagen, was das Beste ist. Riskiere das Gute und übernimm Verantwortung dafür.
Lass dich von Christus im Glauben ergreifen, setzte auf ihn dein Vertrauen und speise dein Selbstvertrauen daraus, dass er das Gute in dir stärkt und bewirkt.
Dann wird möglich, was im Text anklingt – Demut, die im eigenen Leben Raum gewinnt, Vergebung, die den Kreislauf der Vergeltung durchbricht, Frieden, weil wir frei davon werden, alte Rechnungen heimzuzahlen und vergelten zu müssen.
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