Sonntagsgruß
Sonntagsgruß für den 14. Juni - hier anklicken...
Von Pastorin Susanne Bostelmann
Liebe Gemeinde,
eine Dokumentation im Fernsehen beginnt so: Wir sehen das Schlafzimmer einer Frau. Sie steht mit einer anderen Frau vor dem Kleiderschrank. Die beiden nehmen Arme voller Kleider und Blusen samt Kleiderbügeln aus dem Schrank und legen sie auf das Bett. Dabei fragt die eine Frau die andere, wie oft hast du das getragen? Passen sie dir gut? Mit der Zeit wird deutlich: Hier geht es um eine Kleiderschrank-Beratung. Die Beraterin wurde engagiert um den Schrank aufzuräumen und auszumisten und um die Kleidung zu sortieren. So nimmt sie zum Beispiel ein Kleidungsstück heraus, zeigt es der Besitzerin und sieht sie fragend an. „Das ist ein Urlaubs-Souvenir, einmal getragen“, sagt die. „Klare Entscheidung“, sagt die Beraterin. „Einmal getragen – das wird verschenkt oder gespendet.“ Am Ende der Aktion ist der Kleiderschrank deutlich leerer und übersichtlicher als am Anfang. „Wenn du jetzt in den Schrank guckst“, sagt die Beraterin, „dann siehst du nur Sachen, die du wirklich brauchst und anziehst.“ Dann zählt sie die weißen Blusen: Neun hängen im Schrank, 14 wurden aussortiert.
Viele Menschen, so erklärt die Beraterin, sind dabei, an ihrem Zeug zu ersticken. Sie erzählt von Kleiderschränken, in denen Stapel noch verpackter, nie getragener Kleidung liegen. Die Beraterin sagt, die überfüllten Schränke sind überall voll, unabhängig vom Einkommen. Bei den einen sind sie voll mit teuren Sachen, bei den anderen mit preiswerteren.
Das Problem überfüllter Kleiderschränke und Wohnungen beschäftigt mittlerweile eine ganze Berufsgruppe, die professionelle Aufräum-Beratung anbietet. Und hinter dem Wunsch den Kleiderschrank und die Wohnung aufzuräumen, steht ja auch das Bedürfnis, das Leben aufzuräumen. Denn das, was wir besitzen, kann viel Zeit und Aufmerksamkeit binden.
Besitz kann eine Gefahr für die Seele sein. Besitz kann mich in Besitz nehmen. Besitz kann zu einer Gottheit werden, die mich fest im Griff hat. Wenn ich das nicht will, dann muss ich bewusst gegensteuern. Und wenn es bereits passiert ist, dann muss ich mein Leben ändern.
Das Problem des totalen Überflusses ist ein Problem unserer heutigen Zeit. In einer kompletten mittelalterlichen Burg befanden sich weit weniger Gegenstände als heute in einer durchschnittlichen Zwei-Zimmer-Wohnung.
Wir zahlen für die Maßlosigkeit einen hohen Preis – persönlich und global, wie wir an all den Bedrohungen wie Klimaveränderung, Plastikschrott, Mikroplastik und an den riesigen Müllbergen überall auf der Welt sehen.
Wie können wir etwas ändern? Dabei kann uns der Predigttext aus der Zeit der Apostelinnen und Apostel helfen: Die Menge der zum Glauben Gekommenen war ein Herz und eine Seele und niemand sagte von irgendetwas, das er oder sie besaß, dass es Privateigentum sei, sondern sie teilten alles, was sie hatten. Mit großer Macht legten die Apostel Zeugnis ab von der Auferstehung Jesu, des Herrn; und großes Wohlwollen lag auf ihnen allen. Es litt doch auch niemand Mangel unter ihnen. Alle nämlich, die Grundstücke oder Häuser besaßen, verkauften sie, brachten die Verkaufserlöse herbei und legten sie den Aposteln zu Füßen. Es wurde einzeln zugeteilt, je nachdem jemand Not litt. Josef, der von den Aposteln den Beinamen Barnabas bekommen hatte, was übersetzt ‚Sohn des Trostes‘ heißt, ein Levit aus einer zypriotischen Familie, besaß einen Acker, verkaufte ihn, brachte das Geld und legte es den Aposteln zu Füßen.
(Apostelgeschichte 4,32-37 Bibel in gerechter Sprache)
Die Christinnen und Christen lebten mit einem festen Fundament: sie vertrauen fest darauf, dass Jesus der Christus ist, der Retter und Gesandte Gottes. Mit seinem Wirken, seinem Tod und der Auferstehung wussten sie und wissen wir durch sie, dass Gott auf unserer Seite ist.
Die ersten Christ/innen lebten aus dem Bewusstsein, dass Gott für sie sorgt. Sie erlebten die Fülle des Lebens in diesem Glück und teilten diese Fülle. Es litt niemand Mangel unter ihnen, denn sie teilten, was sie nicht brauchten.
Dieser Zusatz ist entscheidend. Denn Besitz ist nicht unwichtig. Wer das Nötigste nicht besitzt, weiß das. Wer nichts hat, kann nur daran denken, wie der Lebensunterhalt gesichert wird. Damit lässt sich kein würdiges Leben führen. Aber ein Zuviel tut auch nicht gut.
Die (ideale) christliche Gemeinschaft lebte mit der Maßgabe: Besitz muss Sinn haben, also Essen und Wohnen zu sichern und Gastfreundschaft gegenüber anderen zu erlauben. Das, was zum Leben gebraucht wird und was der Gemeinschaft dient, wird behalten. Was überflüssig ist, wird verkauft und der Gemeinschaft gespendet. Niemand wird gezwungen.
So ist die Richtschnur klar: Trenne dich von dem, was du nicht wirklich brauchst. Sei gastfreundlich und großzügig und betrachte dein Eigentum als etwas, womit du anderen Menschen helfen und was du teilen kannst.
Die soziale Haltung ist vorbildlich. Schwer ist es für uns Besitzenden, dies umzusetzen. Aber diese Haltung steht ja nicht für sich, sondern sie ist die Folge unseres Glaubens:
Gott schenkt das Leben in Fülle.
Das meint nicht, dass wir unsere Schränke und Konten füllen auf Kosten von anderen. Gott ist ein Gott, der befreit von dem, was uns niederdrückt.
Gott befreit uns aus der Gefangenschaft, Freude nur aus neuem Besitzerwerb zu ziehen, aus Schnäppchen oder exklusiven Einzelstücken.
Gott befreit aus der Falle, die wir uns selber stellen, wenn wir meinen, Besitz hätte etwas mit dem Wert eines Menschen zu tun.
Gott schenkt das Leben in Fülle, denn Gott ist die Liebe.
Davon erzählen Mose und die Propheten. Das hat Jesus gelebt und dafür ist er gestorben.
Die Liebe ist der Sinn unseres Lebens, nichts anderes.
Wir leben aus Gottes Liebe und diese Liebe können wir weitergeben. Gottes Liebe macht uns unendlich wertvoll - dafür brauchen wir nicht die richtigen Schuhe oder das große Auto.
Liebe gilt nicht in erster Linie den Dingen. Liebe muss gelebt werden, Gott gegenüber, mir selbst gegenüber und im Miteinander – in der Gemeinschaft der Familie, von Freundschaften, auch mit unseren fernen Nächsten und der Schöpfung gegenüber.
Aus Gottes Fülle leben wir:
Im Vertrauen auf Gott kann ich erkennen, was für meine Seele gut ist.
Diese Fragen können dabei helfen:
Wie kann ich durch mein Leben gehen mit leichtem Gepäck?
Wie kann ich in meinem Leben Platz schaffen für das, was ich von Herzen will und suche? Und wie kann ich das, was ich habe, so nutzen, dass es mir und anderen Menschen guttut? Unsere Aufräum- und Lebensberaterin Bibel steht uns dabei zur Seite.
Amen.
|